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Erfahrungsbericht von Felicitas
Seit Sommer 2012 lebt Felicitas in Peru, um in der Hogar san Pedro mitzuarbeiten. Ein Bewohner der Hogar ist ihr in dieser Zeit besonders ans Herz gewachsen: der fünfjährige Julio. Hier berichtet die 19-Jährige über die anstrengenden Krankenhausfahrten, die sie gemeinsam mit Julio unternimmt und von ihrem Alltag in der Hogar.
Mittwochmorgen, 5 Uhr, der Tag beginnt: Heute heißt es, mit Julio, unserem jüngsten Patienten im Hogar, ins Kinderkrankenhaus nach Lima zu fahren. Zwei Stunden Hinfahrt ist das Minimum. Um nicht der Letzte in der kilometerlangen Schlange vor dem Ticketschalter und später dem Versicherungsfenster des Krankenhauses zu sein, versuche ich zwischen halbsieben und sieben Uhr dort sein. In aller Früh heißt es also, Kind auf den Arm, Windeln und Milch in die Tasche, raus aus dem Hogar und ab zur „Bushaltestelle". Von dort aus geht es per Kleinbus in die nächste Großstadt, wo wir in einen Minivan steigen, der so viele Leute wie möglich nach Lima fährt. Wie viele Sitzplätze und Stehplätze es in dem Minivan gibt, spielt hierbei keinerlei Rolle. Der Van fährt leider nicht zum Krankenhaus, sodass danach nochmals eine kurze Busfahrt ansteht, bis wir vor dem Kinderkrankenhaus von tausend schreienden Kindern und wartenden Mütter empfangen werden. Kein Geld der Welt könnte mich zu einem solchen Krankenhausbesuch bewegen – aber Julio, der kann es.
Mit seiner gewinnenden Art und seinem tapsigen Gang hat er in Sekundenschnelle die Sympathie der umstehenden Wartenden gewonnen und lässt mich – für die ersten 6 Stunden jedenfalls – die Warterei mit einem Lächeln hinnehmen. Je nachdem, welcher Termin ansteht, geht es nun quer durch das Krankenhaus auf einer Odyssee von Ticketschaltern zu Versicherungs-Warteschlangen, zu Arztzimmern, Apotheken, Labors und Wickelmöglichkeiten. So viel ineffiziente Bürokratie, so viel Hin- und Her-Rennerei konnte ich mir vorher gar nicht vorstellen, aber jetzt ist sie nun einmal Realität und schafft fast so etwas wie Solidarität zwischen anderen genervt endlos wartenden Patienten. Nach etwa 15 solchen Krankenhausbesuchstagen, die auch gerne mal bis 15 Uhr am Nachmittag dauern, hatten wir endlich alle benötigten Untersuchungen beisammen, sodass Julio operiert werden konnte. Momentan erholt er sich von dieser OP. Da aber eine Art Tumor bei ihm entdeckt wurde, nehmen die Krankenhausfahrten dennoch kein Ende. Zusätzlich kommen noch die Fahrten wegen seinen ausstehenden genetischen und orthopädischen Untersuchungen hinzu.
Der normale Arbeitstage dagegen unterscheidet sich sehr von diesem Krankenhausstress: Normalerweise beginnt der Arbeitstag nämlich erst um 8 Uhr. Und da ich direkt in der Hogar wohne, habe ich auch keinen Anfahrtsweg. Zunächst bringe ich David zur Vorschule, danach gehe ich meist in die Großküche und gönne mir erst eine Tasse Quaker zum Frühstück. Das ist eine Art gewöhnungsbedürftiger Haferbrei. Nach einem Schwätzchen mit den Köchinnen, schneide ich das Suppengemüse, wasche Salat, schrubbe Töpfe, stampfe Kartoffelpüree und helfe bei allem anderen, was gerade ansteht. Fest geplant ist in Perus nichts. Vielmehr heißt es, zu schauen, was kommt.
Wenn es in der Küche nichts mehr zu tun gibt, wartet die Lavanderia auf mich: Wäscheaufhängen, und am besten vorher noch ein paar Patienten zur Unterstützung motivieren. Oder aber ich gehe in den Bazar, wo zweimal wöchentlich ein Altkleiderverkauf stattfindet: In einer Horde schnäppchenjagender Frauen ist es dann meine Aufgabe, ein wenig Ordnung zu schaffen und kleine Diebstähle zu verhindern.
Aber auch die weiteren Patienten freuen sich, wenn ich ihnen ein offenes Ohr oder eine helfende Hand hinstrecke. Insofern ist es manchmal auch einfach meine Aufgabe, „da zu sein" in Momenten und Situationen, in denen ein offizieller Mitarbeiter keine Zeit oder keinen Nerv mehr hat. Ich habe aber auch festgestellt, dass meine Nerven nicht endlos strapazierbar sind...!
Mittags – hier schon um morgenfrische 11.15 Uhr – beginne ich, beim Austeilen des Mittagessen Hand anzulegen: Ich serviere von seltenem Ceviche hin zu täglichen Kartoffeln und Reis ein 3-Gänge-Menü (die Suppe gehört in Peru nämlich dazu!), verteile Essen, bringe Patienten an den Tisch, schneide für unsere ältesten Damen das Fleisch klein, erfülle Extrawünsche und mache mich um 12 Uhr auf in die Porteria. Dort ersetze ich für eine Stunde – lesend oder Schwätzchen haltend - den Pförtner während seiner Mittagspause.
Danach bricht meine eigene, mal mehr, mal weniger wohl verdiente Mittagspause an und es geht erst am Nachmittag um 14.30 Uhr mit einem „Buenas tardes!" auf den Lippen weiter. Ob mit den Kindern spielen, in der Apotheke aushelfen, Wäsche falten und verteilen, Krankenhausbesuche besprechen oder erneut ein bisschen in der Küche mithelfen: Nachmittags bleibt fast immer Zeit für ein kleines Pläuschchen. Auch das gehört hier in Peru dazu! Und nach dem Abendessen (um 17 Uhr... man gewöhnt sich an alles!) endet mein Dienst, sodass ich einen langen Feierabend genießen kann. Buenas noches!