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Ansprache Joachim Kardinal Meisners bei der Buchvorstellung

„Joseph Höffner als Priester und Sozialwissenschaftler“

im Dreikönigssaal des Maternushauses,  Köln

am 2. April 2009

 

Kardinal Höffner war zeitlebens ein sehr zurückhaltender und bescheidener Mensch. Jede Form öffentlicher Selbstdarstellung war ihm fremd. Das erklärt, warum die Erinnerung an ihn schneller verblasst als etwa die an seinen Vorgänger Kardinal Frings.

 

Um so mehr ist es zu begrüßen, dass nun aus den Quellen und zu Lebzeiten der letzten Zeitzeugen Höffners der Versuch unternommen wird, in einer Biographie diesen bedeutenden Wissenschaftler, Priester und Bischof nachzuzeichnen. Naturgemäß steht uns der Bischof und Kardinal noch deutlicher vor Augen. Doch von den 56 Jahren vor 1962 wissen wohl nur noch wenige Zeitzeugen und Mitstreiter Joseph Höffners. Deshalb freue ich mich, Ihnen heute den ersten Band der Biographie vorstellen zu können, der uns den Menschen, den Priester und Sozialwissenschaftler Joseph Höffner nahe bringen soll.

 

Joseph Höffner kam als Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie im Westerwald zur Welt. Diese Wurzel hat ihn in seiner persönlichen Frömmigkeit und in seinem unermüdlichen, nüchternen Fleiß geprägt. Der unangefochtene Glaube war für ihn wie Luft und Nahrung ein Lebenselement, die Kirche war sein Lebensraum. Für seinen Bildungsweg war Latein- und Mathematikunterricht durch den Ortspfarrer der Auslöser. Nur kirchliche Konvikte machten es möglich, in Montabaur und Trier ein Gymnasium zu besuchen.

 

Höffner hat früh begriffen, dass er als »Seiteneinsteiger« in ein noch nicht differenziertes Bildungssystem nur durch außergewöhnlichen Fleiß eine bleibende Zukunftschance hatte. Seine ersten Erfolge wurden am Konvikt in Trier wahrgenommen. Der Priesterberuf ergab sich für Joseph Höffner beinahe von selbst. Das Trierer Bistum eröffnete ihm die Möglichkeit, sein Studium in den Jahren 1926 bis 1934 in Rom zu absolvieren. Er wurde dort 1931 Zeuge der Veröffentlichung der großen Sozialenzyklika Pius’ XI. »Quadragesimo anno« und brachte die Sozialwissenschaften als Interessenschwerpunkt 1934 mit nach Hause.

 

Doch Höffner kam in erster Linie als Priester nach Deutschland zurück. Was er dem Rektor des Germanikums in Rom über seine ersten Erfahrungen als Kaplan in Saarbrücken 1934-1937 schrieb, verrät, mit welcher Hingabe und Freude er Priester und Seelsorger war. Als der Trierer Generalvikar ihn auf weitere Studien und einen späteren Einsatz am Priesterseminar ansprach, war er offen, doch wandte er sich nicht von der Seelsorge ab.

 

Während der Freiburger Studienjahre 1937-1939 erwarb er nicht nur in kürzester Zeit einen zweiten theologischen Doktortitel, dazu ein Diplom und einen Doktortitel in Volkswirtschaft. Die Monate der Semesterferien verbrachte er regelmäßig auf Pfarrstellen an der Mosel und in der Eifel, um Seelsorger zu bleiben. 1939 machte er seinem Generalvikar klar, die Freiburger Universität sei kriegsbedingt geschlossen. Seine Habilitationsschrift könne er auf einer Seelsorgestelle im Heimatbistum schreiben. Obwohl er durch die Verhaftung und Ausweisung seines Pastors nach wenigen Wochen gewarnt war, wagte er es, in Kail an der Mosel ein jüdisches Mädchen aus Berlin unter einem Pseudonym in einer Kailer Bauernfamilie unterzubringen. Es ist uns vor zwei Jahren gelungen, die heute 73-jährige Frau Lisa Lehner in den USA ausfindig zu machen und nach hier einzuladen. Sie erzählte, wie sie nach der Trennung von ihren Eltern Joseph Höffner als Vater empfunden habe und erschüttert gewesen sei, als dieser sehr bald als Stadtpfarrer nach Trier versetzt wurde.

 

Es blieb nicht aus, dass der so außerordentlich qualifizierte Wissenschaftler nach 1945 aus der hauptberuflichen Seelsorge ausscheiden musste. Doch seine Themenstellungen an der Universität in Trier und Münster verraten, dass der Seelsorger und Priester Joseph Höffner in dem erfolgreichen und bald hoch angesehenen Professor nicht untergegangen war. Bis zu seiner Bischofsweihe 1962 nahm er die Verpflichtung sehr ernst, jährlich in zwei Blockstudien-Wochen für die Trierer Priesteramtskandidaten zur Verfügung zu stehen.

 

Es überrascht allerdings auch nicht, dass Höffner umgekehrt nach seiner Bischofsweihe und als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz nach 1976 seine wissenschaftliche Kompetenz in seine Verkündigung und in seine zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen jener unruhigen Jahre einbrachte. Das ist uns Älteren noch aus eigenem Miterleben in Erinnerung. Doch hoffen wir sehr, dass es Prälat Trippen in einigen Jahren gelingt, uns einen weiteren Band über die bischöfliche Wirksamkeit Kardinal Höffners vorzulegen. Ihm ist bewusst, dass wegen des kurzen zeitlichen Abstands neben der historischen Exaktheit eine taktvolle Behutsamkeit notwendig ist, da manche beteiligten Akteure noch leben und zahlreiche der damals virulenten Prozesse noch nicht abgeschlossen sind. Doch dürfen wir hoffen, dass dem Autor die erforderlichen Kräfte und der zeitliche Spielraum zum Abschluss des Werkes geschenkt werden.

    

+ Joachim Kardinal Meisner

Erzbischof von Köln

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